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22. April 2022, erzÀhlt von Patrick

CO₂ ist wie Wasser im Zuber: Reduzieren reicht alleine nicht, wir mĂŒssen den Hahn zudrehen – und sofort anfangen, Wasser wieder abzuschöpfen.

Stell dir eine Badewanne vor; eine schöne, alte, große, hölzerne Badewanne, vielleicht auch einen Badezuber. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich wĂŒrde dich gerne auf eine kleine Zeitreise in diesem Badezuber einladen. Hast du Lust?

Super.

Unser Badezuber ist schon ein wenig in die Jahre gekommen und auch das Holz ist nicht mehr ganz dicht, hier und da lĂ€uft bereits etwas Wasser heraus. DafĂŒr tropft auch der Wasserhahn am Zulauf. Das gleicht sich irgendwie aus und der Wasserstand bleibt auf der gleichen Höhe. Aber genau das macht ja irgendwie den Charme eines alten Badezubers aus. Zudem ist es schön warm hier im Wasser – eigentlich alles ideal.

Und wĂ€hrend unsere Zeitreise beginnt, hĂ€tten wir es fast schon verpasst: Hier sehen wir die ersten Menschen, die mit der Landwirtschaft begonnen haben. Wir mĂŒssen also grob 12.000 Jahre in die Vergangenheit gereist sein. So weit mĂŒssen wir aber gar nicht zurĂŒck – springen wir also direkt zum Jahr 1800 vor. Zack, wir können Menschen um uns beobachten, die in aufblĂŒhenden StĂ€dten der Moderne entgegenstreben. Die amerikanische UnabhĂ€ngigkeit ist gerade passiert, ebenso die Französische Revolution. Und der Wasserstand unseres Badezubers? Der hat sich kaum verĂ€ndert. Doch jetzt – und hier komme ich schon zum Kern meiner Geschichte – kommt ein Arbeiter der frĂŒhen Industrialisierung und dreht den Wasserhahn auf. Der Wasserspiegel beginnt langsam anzusteigen.

In den nĂ€chsten 222 Jahren – also bis in die Jetzt-Zeit – wird fast jedes Jahr der Wasserhahn ein wenig weiter aufgedreht und obwohl manche Ritzen inzwischen auch mehr Wasser durchlassen, ist der Zuber fast voll. Voll? Er ist zu voll! Das Wasser steht uns bis zum Hals, es ist bedrĂŒckend. Weitere Personen könnten auf keinen Fall einsteigen, ohne dass der Zuber ĂŒberlĂ€uft.

Sorry, das war bestimmt nicht das Wellness-Erlebnis, das du dir erhofft hast als du eingestiegen bist, richtig? Aber was sollen wir nun deiner Meinung nach tun? NatĂŒrlich erst einmal den Zulauf stoppen, damit der Badezuber nicht ĂŒberlĂ€uft, richtig?

Genau darĂŒber möchte ich sprechen. Denn ich habe den Eindruck, dass viele Menschen glauben, wir könnten etwas Gutes fĂŒrs Klima tun, wenn wir die Emissionen reduzieren (also ein wenig langsamer Wasser in den Zuber fließen lassen). Ich finde es aber essentiell zu verstehen, dass der Badezuber deshalb trotzdem noch voller und voller wird, solange oben Wasser nachfließt. Mit „Emissionen reduzieren“ schaffen wir nur, dass er etwas langsamer ĂŒberlĂ€uft.

Es reicht also beispielsweise nicht aus, die Heizung ein Grad kĂ€lter zu stellen, um etwas weniger Öl oder Gas zu verheizen. Um den Wasserhahn endlich zuzubekommen, muss etwas ohne Emissionen her (also etwa eine WĂ€rmepumpe, Holzpellets, usw.).

Und wenn wir wollen, dass wir im Badezuber wieder den Wasserstand bekommen, den wir beim Einsteigen einmal hatten, dann mĂŒssen wir das Wasser im Badezuber irgendwie abschöpfen. Diesen Zustand können wir dann gleichsetzen mit einer Welt, in der weniger oft WaldbrĂ€nde stattfinden und in der das Risiko fĂŒr Überschwemmungstragödien wie im Ahrtal wieder kleiner wird.

Machen wir uns nichts vor: das heißt natĂŒrlich Ökostrom, das heißt natĂŒrlich kein fossiles Öl mehr im Auto oder zu Hause, das heißt natĂŒrlich weniger FlĂŒge und weniger Fleisch essen. Aber das heißt vor allem:

  • mehr Bauen mit Holz,
  • mehr PV-Anlagen,
  • mehr gelebte Gemeinschaft,
  • mehr Teilen von Dingen wie einen RasenmĂ€her oder einen Badezuber, in den jetzt ĂŒbrigens wieder mehr Menschen passen, ohne dass er ĂŒberlĂ€uft.

Das alles sind VerĂ€nderungen. VerĂ€nderungen machen Angst und ich kann auch verstehen,  wenn du dir nichts „vorschreiben lassen” möchtest. Es geht hier gar nicht um die Vorschriften eines Besserwissers, sondern darum, dass du und ich verstehen, dass wir ohne es zu wollen unser ganzes Leben lang den Wasserhahn mit aufgedreht haben. Jetzt können wir aber den Mut beweisen etwas zu verĂ€ndern, selbst nachzudenken und den Wasserhahn wieder zuzudrehen.

Entscheidungen, die wir treffen können, sind:

  • Die Stromquelle, fĂŒr die wir uns entscheiden (Strommix oder Ökostrom oder gar der eigene PV-Strom)
  • Die WĂ€rmeenergie, die wir wĂ€hlen (Öl und Gas – oder WĂ€rmepumpe und Holzpellets)
  • Braucht es wirklich wieder ein neues Auto, und wenn „Ja", wie wird es angetrieben?
  • Was kommt auf unsere Teller (Fleisch oder GemĂŒse)?
  • Wohin geht es in den Urlaub und wie kommen wir dorthin?
  • Womit bauen wir HĂ€user (Stahlbeton oder Holz)?

GrundsÀtzlich: Denke nach, handle mutig!

Keiner von uns will einmal zu den eigenen Kindern sagen mĂŒssen: „Sorry Kind, wir haben deine Zukunft zerstört, aber das GesprĂ€ch mit der Energieberaterin war uns zu aufwendig.“

Danke, dass du mit mir baden warst.

Patrick

Nimm aus dieser Geschichte bitte mit: Wir haben jetzt bereits zu viel CO₂ in der Luft. Wir mĂŒssen unsere Emissionen stoppen und herausfinden, wie wir das CO₂ wieder „da herausbekommen“ (sog. negative Emissionen).

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